Verlauf der Waldtracht 2006

Honigtauerzeugung; © Elisabeth Hoch

Das vergangene Jahr war das vierte Waldhonigjahr in Folge (Abb. 1). Seit 1987 beteilt sich an stetig ansteigende Anzahl von Waldtrachtimkern an der systematischen Beobachtung der Honigtautracht. Anfangs stand das Auftreten der bienenwirtschaftlich wichtigen Honigtauerzeuger auf Fichte und Tanne im Zentrum ihres Interesses, in neuerer Zeit liegt der Schwerpunkt auf der Erfassung des Trachtverlaufs mit selbst meldenden elektronischen Stockwaagen, von denen in 2006 in Baden-Württemberg 105 im Einsatz waren.

Die mit Abstand wichtigsten Waldbäume für eine Honigtautracht sind Fichte und Tanne, obwohl auf den anderen Baumarten auch Blatt-, Nadel-, Rinden- und Schildläuse leben, die allerdings selten derart in Massen auftreten, dass sie eine Waldtracht verursachen. Das Jahr 2006 hat gezeigt, dass diese Ausnahmen durchaus möglich sind und gleichzeitig eine Regel bestätigt, die im Zuge der inzwischen 30jährigen Hohenheimer Waldtrachtbeobachtung entstanden ist: „Ein lausiges Frühjahr bringt einen verlausten Sommer“. Während der von Mitte Mai bis Anfang Juni ungewöhnlich lang anhaltenden Kälteperiode, in der den pünktlich aufgetretenen „Eisheiligen“ übergangslos eine verfrühte und überlange „Schafskälte“ folgte, hatten sich Blattläuse auf Laubbäumen wie Ahorn, Eiche, Eberesche, Hasel, Linde und Weide, nicht nur im Wald, sondern auch in Parks, Gärten und Alleen sowie an Bach- und Flussläufen in Massen vermehrt. Sie sonderten ab Anfang Juni, als sommerlich warmes Wetter für gute Assimilationsbedingungen sorgte, viel Honigtau ab, der sich auf Blättern, im Unterwuchs, auf parkenden Autos und auf dem Asphalt von Straßen und Gehwegen ansammelte, dort aber auch tagsüber sehr rasch antrocknete. Nur in den frühen Morgenstunden und abends war er feucht genug, dass er von den Bienen aufgenommen werden konnte. Während dieses Honigtaueintrages wurde auch die Anfang Juni zu Ende gehende Akazienblüte und die Mitte Juni beginnende Lindenblüte von den Bienen genutzt. Das Gesamtergebnis ist eine würzig schmeckende Mischung aus hellem Blüten- und dunklem Honigtauhonig. In Waldgebieten wurde sie ergänzt oder auch bestimmt durch Nektar von Himbeere und Brombeere sowie durch Honigtau von der Fichte; denn das lausige Wetter hatte erwartungsgemäß auch die Vermehrung der Fichtenrindenläuse begünstigt und außerdem noch einen synchronisierenden Effekt. Normalerweise sind die Geflügelten der Rotbraunen Bepuderten Fichtenrindenlaus als erste unterwegs. Ihnen folgen die anderen Rindenlausarten, als letzte der „Zementhonigerzeuger“, die Große Schwarze Fichtenrindenlaus. Die Kaltwetterperiode führte zu einem „Geflügeltenstau“, so dass bei Eintritt der sommerlichen Witterung gegen Mitte Juni der Ausbreitungsflug aller Arten einsetzte, der für eine Besiedlung vorher nicht befallener Zweige und Bäume und für das Einsetzen der Honigtautracht sorgte. Zwar trat in der Folge keine der fünf bienenwirtschaftlich wichtigen Fichtenrindenlausarten in so hoher Populationsdichte auf, dass sie allein die Fichtentracht hätte verursachen können, doch gemeinsam und zusammen mit dem „Blatthonig“ und den Blütentrachten sorgten sie in fast allen Waldregionen Baden-Württembergs für gute bis sehr gute Waagstockzunahmen von täglich 2-4 kg (Abb.2). Im Laufe des Sommers nahm der Honigtauanteil, zuerst von der Fichte, dann von der Tanne in dem Maße zu wie die verschiedenen Blütentrachten zur Neige gingen. Doch gerade im traditionellen Waldtrachtgebiet Schwarzwald ist seit „Lothar“ an vielen Standorten eine von Juni bis September dauernde Blütentracht möglich (Abb. 3).

Jede Tracht hat ein Ende

Jede Tracht ist zeitlich begrenzt, so auch eine Honigtautracht. Allerdings muss sie nicht unbedingt zeitgleich mit dem Schrumpfen der Lauspopulationen enden. Bei anhaltender Trockenheit kann es nach dem Verschwinden der Läuse noch tagelang honigen. Die bei einem Massenbefall angefallenen Honigtaumengen werden häufig von den Bienen nicht sofort und auch nicht jederzeit gesammelt. Wenn es tagsüber sonnig und warm ist trocknet der Honigtau an und kristallisiert aus, sodass er nur bei hoher Luftfeuchte, in den frühen Morgenstunden oder gegen Abend, von den Bienen aufgenommen werden kann. Erst ein heftiger Regen beseitigt durch Abspülen den Honigtausegen. Wie rasch kommt man dann zu dem Fehlurteil, dass der Regen, im Sommer häufig mit Gewitter und Hagel verbunden, die Lauspopulationen vernichtet hat.

Der Zusammenbruch der Lauspopulationen ist in erster Linie auf ein Absinken des Nährwertes ihrer Nahrung, des Siebröhren- oder Phloemsaftes zurückzuführen. Sobald der Austrieb der Bäume zu Ende ist, wird das Phloem ausschließlich für den Abtransport der tagsüber von den Nadeln und Blättern produzierten Zucker benötigt. Von Zucker (und Wasser) allein kann keine Laus auf Dauer leben geschweige sich vermehren. Die Läuse scheiden den Zucker als Honigtau aus und sterben. Eine Betreuung durch Ameisen kann daran nichts ändern. An dem Zusammenbruch der Lauspopulationen sind besonders nach einer Waldtracht auch Feinde beteiligt wie räuberische Fliegen, Marienkäfer und Schlupfwespen. Die Faltenwespen, die wie Ameisen und Bienen vom Honigtau leben, zählen nicht dazu.

Besonderheit Tanne

Im Unterschied zur Fichte kann es auf der Tanne zu einer Spätvermehrung der Rindenläuse, insbesondere der Grünen Tannenhoniglaus kommen, die bei einem Massenbefall zu einer Tannentracht im August oder September führt. Eine solche Spättracht trat im Schwarzwald besonders häufig in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts auf und im 21. Jahrhundert nach jahrzehntelanger Pause das erste Mal in 2004, als im August/September die Stockwaagen fast überall im Schwarzwald registrierten: „Die Tanne honigt!“ Allerdings war diese Tannentracht nur auf dem Höhenrücken zwischen den Tälern von Nagold und Enz so ergiebig, dass sich eine Aufwanderung lohnte. Im Durchschnitt wurden dort etwa 20 kg Tannenhonig pro Volk geerntet.

In 2006 hat es wiederum eine Spätvermehrung der Grünen Tannenhoniglaus gegeben. Sie ist ein Hinweis dafür, dass ihr ökologisch empfindlicher Wirtsbaum „leidet“. In 2003 hatten der Tanne Trockenheit und Hitze zugesetzt, in 2006 geriet sie durch die starke Zapfenbildung und die Trockenheit im Juli erneut in „Stress“, was die Anfälligkeit für Lausbefall auch nach dem Austrieb erhöht. Besonders im Mittleren Schwarzwald hat die Tanne vielerorts bis in den Herbst hinein gehonigt. Sie wurde auch bis in den Oktober von Bienen beflogen. Das hat die Vorbereitung der Völker auf den Winter sehr erschwert. Hoffentlich wird der Winter nicht so hart wie sein Vorgänger.

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