Honigtauhonige gehören zu den gefragtesten Sortenhonigen in Mitteleuropa – insbesondere in Deutschland – und erzielen oft überdurchschnittliche Preise. Der Grund: Sie unterscheiden sich sensorisch und analytisch deutlich von den meisten Blütenhonigen. Typisch sind eine dunkle, rot- bis dunkelbraune Farbe, ein kräftig würzig-malziges Aroma sowie häufig eine höhere elektrische Leitfähigkeit. Zudem zeigt das Zuckerspektrum meist geringere Anteile an Fructose und Glucose, dafür mehr höhermolekulare Zucker. Unter dem Mikroskop lassen sich häufig charakteristische Honigtauelemente erkennen (siehe Grafiken und Aufnahmen weiter unten).
Honigtauerzeuger: Wer produziert Honigtau?
Die für die Honigproduktion relevanten Honigtauerzeuger gehören überwiegend zu den Hemiptera (Schnabelkerfen). Bedeutsam sind vor allem verschiedene Gruppen pflanzensaftsaugender Insekten, darunter Schildläuse (insbesondere Lecanien), Blattläuse (u. a. Lachniden/Rindenläuse sowie Zierläuse) sowie Zikaden. Entscheidend ist weniger die systematische Zugehörigkeit als die Frage, ob eine Art unter passenden Bedingungen ausreichend Honigtau in nutzbarer Menge bereitstellt.
Viele Honigtauerzeuger sind eng an bestimmte Wirtspflanzen gebunden und sitzen oft an typischen Stellen (z. B. an Nadeln, Trieben, Rinde oder Blattunterseiten). Aus überwinternden Stadien (je nach Art Eier oder Larven) entsteht im Frühjahr die nächste Generation. Im Verlauf der Vegetationsperiode können mehrere Generationen folgen; durch sexuelle und besonders durch parthenogenetische Vermehrung sind starke Populationsanstiege möglich. Wie stark sich ein Bestand entwickelt, hängt u. a. von Temperaturverlauf, Niederschlägen (z. B. Starkregen), dem Nahrungsangebot der Wirtspflanze und natürlichen Gegenspielern (z. B. Marienkäferlarven, parasitoide Wespen) ab. Entsprechend ist die Honigtaumenge eines Standortes eng an die Populationsdynamik gekoppelt – und die maximale Honigtauproduktion liegt je nach Art zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Jahr.
Wie entsteht Honigtau?
Honigtau ist – neben Blütennektar – ein weiterer zuckerhaltiger Rohstoff, den Honigbienen für die Honigproduktion nutzen können. Er entsteht als Ausscheidungsprodukt von Insekten, die an Pflanzen Phloemsaft aufnehmen. Dazu werden Siebröhren von Gräsern, Kräutern, Sträuchern oder Bäumen angestochen. Weil im Phloem ein Druck herrscht, müssen die Tiere je nach Situation nicht aktiv „saugen“, sondern nehmen den Saft teilweise passiv auf – daher wird in der Fachliteratur auch von Phloembibitoren (Siebröhrensafttrinker) gesprochen.
Im Phloem transportieren Pflanzen vor allem Zucker (u. a. Saccharose) sowie weitere organische Verbindungen, darunter Aminosäuren, Peptide und zahlreiche Begleitstoffe. Der Saft enthält dabei viel Wasser und Zucker, während stickstoffhaltige Verbindungen meist in deutlich geringeren Konzentrationen vorliegen. Für die Insekten entsteht daraus ein physiologisches Problem: Zucker und Wasser sind reichlich vorhanden, essenzielle Nährstoffe dagegen limitierend. Viele Arten scheiden deshalb überschüssiges Wasser und Zucker rasch wieder aus, während sie wertvollere Bestandteile im Darm stärker ausnutzen.
Bei der Passage durch den Verdauungstrakt verändert sich der Siebröhrensaft: Enzyme aus Speichel und Verdauung sowie Mikroorganismen (Endosymbionten) im Tier tragen dazu bei, dass Zusammensetzung und Konzentrationen verschoben werden. Symbionten sind für viele Arten zudem wichtig, weil sie an der Bereitstellung essenzieller Nährstoffe (z. B. bestimmte Aminosäuren oder Vitamine) beteiligt sein können.

Der Honigtau wird schließlich als flüssiger, zuckerhaltiger Tropfen ausgeschieden. Je nach Art bleibt der Tropfen am Körper haften (z. B. bei einigen Schildlausgruppen) oder wird abgestoßen bzw. verteilt, sodass er auf Nadeln, Blättern oder anderen Flächen landet. Von dort kann er von Honigbienen aufgenommen werden.
Zusammensetzung von Honigtau
Die Zusammensetzung des Honigtaus ist variabel. Sie wird durch die Honigtauerzeuger-Art, den physiologischen Zustand der Wirtspflanze und Umweltbedingungen beeinflusst. Im Vergleich zu Nektar kann Honigtau sehr hohe Zuckerkonzentrationen erreichen (häufig im Bereich von etwa 60–95 %), wobei auch Verdunstung und Eintrocknung nach der Ausscheidung eine wichtige Rolle spielen.
Zu den häufigen Zuckern zählen Saccharose, Fructose und Glucose. Je nach Herkunft treten darüber hinaus weitere Zucker auf, darunter Maltose, Trehalose sowie Oligosaccharide wie Melezitose und Raffinose. Neben Zuckern und Wasser können Aminosäuren, Mineralstoffe und Spurenelemente in wechselnden Anteilen enthalten sein. Der Honigtau selbst ist oft nahezu farblos; die dunkleren Honigfarben entstehen erst bei der Verarbeitung und Reifung (u. a. durch Reaktionen von Zuckern mit Aminosäuren und weiteren Inhaltsstoffen).
Besondere Formen
Neben „klassischem“ Honigtau von pflanzensaftsaugenden Insekten werden gelegentlich auch besondere Rohstoffquellen beschrieben, etwa Ausscheidungen an Eichenfrüchten, die nicht eindeutig auf Insekten zurückgeführt werden. In bestimmten Regionen (z. B. Südosteuropa) kann unter passenden klimatischen Bedingungen daraus ein dunkler Honig entstehen. Ebenfalls bekannt sind spezielle Honigtauphänomene an Tannen in mediterranen Regionen, bei denen einzelne Zucker (z. B. Raffinose) in auffällig hohen Anteilen vorkommen können.
Honigtau ist nicht nur für Honigbienen attraktiv: Auch Wespen und insbesondere Ameisen nutzen ihn als energiereiche Nahrungsquelle, was die Verfügbarkeit für Bienen lokal beeinflussen kann.
Vom Honigtau zum Honig: Verarbeitung im Bienenvolk
Sammelbienen nutzen zahlreiche Trachtquellen im Flugradius des Volkes, darunter Nektar und – bei passenden Bedingungen – auch Honigtau. Das Sammelverhalten ist dabei geprägt durch Artstetigkeit (die Tendenz, während eines Fluges eine Trachtquelle konsistent zu nutzen) sowie eine gewisse Ortstreue. Erfolgreiche Sammlerinnen können über die Tanzkommunikation weitere Bienen an dieselbe Quelle rekrutieren. Bei großflächigem Angebot kann so ein Sortenhonig entstehen.
Nach dem Eintrag wird der Rohstoff im Stock umgearbeitet: Wasser wird entzogen (Trocknung), und bieneneigene Sekrete, insbesondere Enzyme, verändern das ursprüngliche Zuckerspektrum. Saccharose wird beispielsweise in Fructose und Glucose gespalten; zusätzlich können durch Umwandlungsprozesse weitere Zucker entstehen. Trotz dieser Veränderungen bleibt das Profil vieler Honige für die jeweilige Rohstoffquelle charakteristisch. Honigtauhonige kristallisieren häufig langsamer, was unter anderem mit dem Verhältnis der Zucker zusammenhängen kann.
Sortentypische Merkmale
Honigtauhonige unterscheiden sich je nach Insekten- und Pflanzenherkunft unter anderem in Mineralstoffgehalt (sichtbar u. a. über die elektrische Leitfähigkeit), im Aroma sowie in der Farbe. Zusätzlich können mikroskopisch sichtbare Honigtauelemente Hinweise auf die Herkunft geben. Analytische Datensammlungen (wie Sortenhonig-Datenbanken) zeigen, dass bestimmte Muster – etwa im Zuckerspektrum – je nach Honigtauquelle häufiger auftreten.
Die nachfolgenden Grafiken sind Auszüge aus einer Sortenhonig-Datenbank des LAVES Institut für Bienenkunde Celle (umfangreiche Sammlung mit mehreren tausend Datensätzen).
Rechtliche Einordnung: Was ist „Honigtauhonig“?
Die EU-Honigrichtlinie (2001/110/EG) wurde in Deutschland durch die Honigverordnung umgesetzt. Für Verkehrsbezeichnungen nach der botanischen Herkunft gilt grundsätzlich, dass ein Honig überwiegend aus der angegebenen Quelle stammen und passende sensorische, physikalisch-chemische sowie mikroskopische Merkmale aufweisen muss. Für Honigtauhonig wird dabei als Rohstoffquelle Honigtau verstanden, der überwiegend aus Exkreten pflanzensaugender Insekten auf lebenden Pflanzenteilen oder aus Sekreten lebender Pflanzenteile stammt.
In der Praxis wird Honigtauhonig je nach Herkunft weiter differenziert (z. B. Fichten-, Tannen- oder Pinienhonig), sofern die jeweiligen Kriterien erfüllt sind. In manchen Regionen Südeuropas wird zudem Honigtau von polyphagen Arten genutzt, die an vielen Pflanzenarten vorkommen; dadurch ist eine eindeutige Zuordnung zu einer einzelnen Wirtspflanze nicht immer möglich. In Deutschland ist für Honigtauhonig häufig die Bezeichnung Waldhonig gebräuchlich, sofern der Rohstoff ausschließlich aus Waldflächen stammt.

Forschung: Charakterisierung von Honigtauhonigen
In großen Sortenhonig-Datensammlungen finden sich zahlreiche Honigtauhonige aus unterschiedlichen Regionen. In internationalen Kooperationen (u. a. im Umfeld der International Honey Commission) wurden zudem authentische Honigtauhonige aus verschiedenen Ländern untersucht. Solche Arbeiten zeigen, dass eine belastbare Differenzierung zwischen Honigtauhonigen unterschiedlicher Herkunft typischerweise mehrere Kriterien kombiniert – etwa Sensorik, Mikroskopie, Zuckerspektrum und elektrische Leitfähigkeit.
Besonders relevant sind dabei bestimmte Zucker (u. a. Melezitose und Raffinose) sowie weitere charakteristische Kohlenhydrate, die in bestimmten Honigtauhonigen häufiger bzw. in höheren Anteilen auftreten. Zusätzlich liefern mikroskopische Honigtauelemente (z. B. Pilzsporen, Algen, kristalline Bestandteile oder Wachskomponenten) weitere Hinweise, wobei die Muster je nach Herkunft variieren können.
Ein bemerkenswerter Befund aus solchen Datensätzen ist, dass bestimmte Honigtau-Sortenhonige (z. B. Tannenhonig) trotz unterschiedlicher Regionen oft konsistente charakteristische Eigenschaften zeigen. Genau diese Stabilität ist ein Grund, warum kombinierte Analytik (Sensorik + Chemie + Mikroskopie) in der Sortenbestimmung so wichtig bleibt.
Mikroskopische Honigtauelemente im wasserunlöslichen Honigsediment (400×)
Weiterführende Ressource:












